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Entschuldigung, Unterlassung, Aufzeichnung

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The Good – Bitte um Entschuldigung

Der «Fall Nathalie» beschäftigt die Medienlandschaft seit Dezember 2019. Damals zeigte eine Frau aus Solothurn ihren Ex-Mann an. Er soll die gemeinsame Tochter mehrfach sexuell missbraucht und vergewaltigt haben – im Rahmen von satanistischen Ritualen. Auch die Kesb wurde mit hineingezogen, ihr wurde vorgeworfen, das Mädchen nicht ausreichend geschützt zu haben. Vergangene Woche, rund zweieinhalb Jahre später, kam der Fall zur Ruhe: Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren gegen den Vater ein, der Tatverdacht habe sich in keiner Weise erhärtet.

Nun bittet die «Basler Zeitung» BaZ am Freitagmorgen öffentlich um Entschuldigung für ihre fehlerhafte Berichterstattung. Die Zeitung war eines der federführenden Medien im «Fall Nathalie». Chefredaktor Marcel Rohr (Bild) schreibt, man habe die eigenen Qualitätsstandards «nicht immer eingehalten» und auch die «Kontrollinstanzen, die diese sicherstellen» hätten nicht immer funktioniert.

Für einen Grossteil der Artikel zum «Fall Nathalie» verantwortlich war der damalige Chefreporter Daniel Wahl, der unter anderem Tonaufnahmen des Gesprächs zwischen Nathalie und der Oberärztin der Kinder- und Jugendpsychiatrie Baselland veröffentlicht hatte, in welchem das Mädchen den angeblichen Missbrauch schilderte. Der Presserat rügte damals die BaZ, diese Veröffentlichung sei «ein krasser Verstoss gegen die Prinzipien journalistischer Ethik». Die Bitte um Entschuldigung ist also mehr als angebracht.

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The Bad – Unvollständige Recherchen

Am vergangenen Sonntag wies Fabian Eberhard im «Sonntagsblick» auf die Neonazi-Verbindungen des Westschweizer Frauenkollektivs «Nemesis» hin. Anlass zu dem Artikel gab ein Beitrag von SRF. In der Sendung «10 vor 10» durfte Anfang Mai eine Aktivistin von «Nemesis» prominent sexuelle Übergriffe durch Migranten auf pauschalisierende und xenophobe Weise anprangern. Über den rechtsextremen Hintergrund erfuhr man nichts am Fernsehen. Eine Unterlassung, die Eberhard mit seiner Recherche nachholte. Der Journalist unterliess es aber, bei SRF nachzufragen, weshalb sie die Neonazi-Verbindungen nicht thematisiert hatten.

Bei Ringier teilt Mediensprecher Daniel Riedel dazu auf Anfrage der MEDIENWOCHE mit: «Beim ‹Sonntagsblick›-Artikel ging es darum, die Hintergründe der Gruppe und ihre Verbindungen zum Rechtsextremismus aufzuzeigen. SRF wurde dabei eingangs benannt, weil die Gruppierung wenige Tage zuvor auch in einem ‹10vor10›-Bericht thematisiert wurde.» Im Artikel selbst werde SRF aber kein Vorwurf gemacht, sondern es würden nur weitere Fakten zur Gruppe aufgeführt, die im SRF-Beitrag nicht erwähnt wurden. Und SRF gestand via Twitter ein, dass es angebracht gewesen wäre, «die Verbingung zur Neonazi-Szene zu erwähnen». Besser hätten SRF und «Sonntagsblick» von Anfang an alle wichtigen Fragen gestellt und vollständig berichtet.

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The Ugly – Abgelaufene Konserve

Jan «Monchi» Gorkow ist Sänger der deutschen Politpunkband «Feine Sahne Fischfilet» und war am Montag in der SRF-Sendung «Focus» zu hören. Wobei, so ganz stimmt das nicht: «Monchi» ist nicht bloss Sänger, sondern steht momentan vor allem im Fokus von anonymen Vorwürfen wegen sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauchs. Gorkow war ausserdem auch gar nicht am letzten Montag zu Gast bei SRF. Das Gespräch wurde lange im Voraus, bereits am 5. Mai, aufgezeichnet.

Das Interview über «Monchis» neues Buch und seine exzessive Vergangenheit steht nun etwas schräg in der Landschaft. Immerhin: Auf der Website weist SRF das transparent aus und verspricht, dass man bei «Focus» die «Entwicklungen der Vorwürfe» aufmerksam verfolgt. Alexander Blunschi, Leiter Radio SRF 3, schreibt auf Anfrage der MEDIENWOCHE: «Die Vorwürfe sind aktuell noch sehr vage und stammen von einem anonymen Social-Media-Account. Es gilt also derzeit die Unschuldsvermutung.» Deshalb habe die Leitung von SRF 3 entschieden, die Sendung auszustrahlen «und einen entsprechenden Hinweis anzubringen, weshalb die aktuellen Vorwürfe im Gespräch nicht thematisiert wurden. Dies war aufgrund der zeitlichen Gegebenheiten schlicht nicht möglich».

Eine mögliche Lösung wäre weniger Radio aus der Konserve. Und: Die Vorwürfe waren bereits vier Tage vor dem Ausstrahlungstermin der «Focus»-Sendung bekannt. SRF 3 hätte also genügend Zeit gehabt, das Interview zu kippen und mit jemand anderem zu reden.

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